1. Stipendium nach § 3 Nr. 11 EStG
Ein steuerfreies Stipendium nach § 3 Nr. 11 EStG kommt in Betracht, wenn die Förderung unmittelbar der Förderung der Kunst dient, also die sachlichen Voraussetzungen zur Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit geschaffen werden. Darunter fallen nur sachliche Aufwendungen oder zum Beispiel die Bezahlung von Hilfskräften. Kosten für die Lebensführung der Künstler:innen können nach § 3 Nr. 11 EStG nicht gefördert werden.
Der Bundesfinanzhof rückte in seinem Urteil vom 27.04.2006 – Aktenzeichen IV R 41/04 – von dieser schon in den 1970er-Jahren formulierten Auffassung nicht ab.
Im Zeichen der Corona-Pandemie gibt es jüngst aber Beispiele, dass die Verwaltung die Norm auch für „Eigenhonorare“ zur Anwendung bringt und diese steuerfrei behandelt. Über die Rechtsprechung hinausgehend ordnet die OFD Frankfurt jüngst mit Rundverfügung vom 03.02.2022 – Aktenzeichen S 2342 A – 050 St 29 – die Einkommenssteuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG zwecks unmittelbarer Förderung der Kunst auch für „Eigenhonorare“ von Künstler:innen ausdrücklich an. Die Finanzdirektion nimmt dabei auf sog. künstlerischer Arbeits- und Brückenstipendien der Hessischen Kulturstiftung während der Corona-Pandemie Bezug.
2. Stipendium nach § 3 Nr. 44 EStG
2.1. Fortbildung und Ausbildung
Ein steuerfreies Stipendium nach § 3 Nr. 44 EStG kommt dem Wortlaut nach in Betracht, wenn es der künstlerischen Ausbildung und Fortbildung dient. Bei einer Projektförderung dürfte dies eher fernliegend sein und bei einer Rechercheförderung ergeben sich nach den einschlägigen Gesetzes-Kommentierungen Bedenken. Denn diese legen nicht nahe, dass mit Fortbildung auch die „Eigenbildung“ professioneller Künstler:innen gemeint ist, die ihre Erstausbildung abgeschlossen haben und ihren Beruf bereits ausüben. Zu dieser Thematik ist uns leider noch keine einschlägige Rechtsprechung bekannt. Einen Anhaltspunkt könnte die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zum Gründerstipendium bieten, wonach die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 44 EStG mangels Fortbildungscharakter verneint wurde (BFH, Beschl. vom 01.10.2012 – III B 128/11 Rn. 14). Fachliches Mentoring der Stipendiat:innen durch zum Beispiel Gründungsberater:innen oder Hochschullehrer:innen dienten nicht der Weiterbildung des bereits erlernten Berufes, sondern der praxistauglichen Umsetzung bzw. Vornahme einer innovativen Gründungsidee in ihrer Frühphase. Das Mentoring diene gerade nicht einer methodischen Untersuchung der Existenzgründung als solcher. Diese Argumentation auf die Recherchestipendien zu übertragen, könnte bedeuten, dass auch diese nicht der Weiterbildung, sondern eher der praxistauglichen Umsetzung der beruflichen Praxis dienen.
In der Praxis kommt es jedoch vor, dass das Bundesfinanzministerium die Finanzämter anweist, auch sog. „Arbeitsstipendien“, welche als Recherchestipendien ausgestaltet sein könnten, nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei zu behandeln. Uns liegen Berichte vor, nach denen derlei Klärung auf Bundesebene durch die zuständigen Landesfinanzministerien initiiert wurde. Die Landesbehörde wandte sich in einem Fall auch auf Bitten der:des Zuwendungsgeber:in an den Bund.
2.2. Sonstige Voraussetzungen
Daneben sind für die Steuerfreiheit die einzelfallbezogenen Voraussetzungen nach § 3 Nr. 44 S. 3 EStG zu beachten. Diese sind, (1) dass die Stipendien der Höhe nach erforderlich sind, (2) die Vergabe nach Förderrichtlinien erfolgt und (3) von Stipendiat:innen keine Gegenleistung gefordert wird. Hinsichtlich der Höhe ist zu beachten, dass es keine fixe Zahl gibt, die für erforderlich gehalten wird. Es kann demnach nicht gesagt werden, dass Stipendien beispielsweise generell in Höhe von EUR 2.000,00 monatlich erforderlich sind. Zur Bestimmung der Obergrenze für die Stipendienhöhe ist im Einzelfall auf die typischen Lebenshaltungskosten in der konkreten sozialen Situation der Stipendiat:innen abzustellen. Damit gemeint sind Aufwendungen gemäß § 1610 II BGB, etwa für Wohnung, Nahrung, Kleidung, Versicherungsschutz, Altersvorsorge sowie evtl. grundlegende kulturelle Bedürfnisse. Faktoren wie Alter oder (akademische) Vorbildung sind miteinzubeziehen.
2.3. Rechtssicherheit
Um Rechtssicherheit zu erlangen, können Stipendienempfänger:innen bzw. deren jeweiliges Finanzamt bei dem Finanzamt der:des jeweiligen Stipendiengeber:in um Beurteilung der steuerrechtlichen Behandlung bitten. Der Antrag auf Beurteilung erfolgt nach den Einkommenssteuer-Richtlinien (EStR R 3.44 S. 2). Das für die:den Stipendiengeber:in zuständige Finanzamt stellt daraufhin eine bindende Bescheinigung über dessen Prüfungsergebnis aus.